Apolipoprotein E und Alzheimer-Krankheit
Apolipoprotein E (ApoE) gehört zu den Apolipoproteinen und ist ein Strukturbestandteil von Lipoproteinen. Diese sind am Transport und Metabolismus von Triglyzeriden und Cholesterin im Blut beteiligt.
DR. MED. LUKAS WAGNER UND DR. MED. ATHANASIOS VERGOPOULOS
Das ApoE wird vom APOE-Gen kodiert. Vom APOE-Gen gibt es drei häufiger vorkommende Allele, ε2 (APOE2), ε3 (APOE3) und ε4 (APOE4), welche für die Protein-Isoformen ApoE2, -E3 und -E4 codieren [ApoE2 (Cys112; Cys158), ApoE3 (Cys112; Arg158) und ApoE4 (Arg112; Arg158)].
Es wird angenommen, dass etwa 60 % der Variation der Plasmacholesterin-Spiegel genetisch determiniert sind. Der Anteil des APOE-Genotyps an dieser Variation wird mit ca. 10–14 % eingeschätzt. Etwa 1–5 % der APOE2 homozygoten Personen (ca. 1–2 % der Bevölkerung) entwickeln eine familiäre Dysbetalipoproteinämie (Hyperlipoproteinämie Typ III nach Fredrickson).
Eine weitere klinisch relevante Assoziation besteht für das ε4 Allel bei der Alzheimer-Krankheit (AD, Morbus Alzheimer, Alzheimer-Demenz). Bereits vor Jahrzehnten ist die Assoziation zwischen ApoE4-Trägerschaft und einer dementiellen Erkrankung in höherem Alter (> 65 Jahre) erkannt worden. Hierbei ist ein Dosiseffekt zu beobachten. Heterozygotie für das APOE4-Allel ist mit einem ca. 4-fach, Homozygotie (ca. 1:60 der Bevölkerung) mit einem bis zu 15-fach erhöhten Risiko mit der Spätform der AD assoziiert. Es wird angenommen, dass das homozygote Vorliegen des APOE4-Allels den Beginn der Erkrankung um sieben bis zehn Jahre früher verlagert.
Nicht jeder heterozygoter oder homozygoter Merkmalsträger erkrankt jedoch an AD. In der aktuellen S3-Leitlinie zu Demenzen wird die Bestimmung des Apolipoprotein-E-Genotyps für die Diagnostik bzw. Differenzialdiagnostik oder für prognostische Fragestellung bei Demenz nicht empfohlen (S3-Leitlinie Demenzen, Fassung vom 28.03.2025, Version: 5.1, AWMF-Register Nr. 038–013).
Verbesserte medikamentöse Behandlungsoptionen erhöhen die Notwendigkeit einer Erkennung der AD in bereits frühen Stadien. Spezielle Laboruntersuchungen im Liquor und Serum (Gesamt-Tau, pTau217, pTau181, Aß40, Aß42 und Amyloid-Quotient) können hierbei wichtige Hilfestellungen zur Sicherung der Diagnose AD bzw. zur Differenzialdiagnose geben.
Lecanemab (Leqembi®)
Der monoklonale Antikörper Lecanemab ist gegen die für die Entwicklung einer AD pathophysiologisch wichtigen Amyloid-Plaques gerichtet. Durch die Bindung des Antikörpers an die Amyloid-Fibrillen wird eine Immunreaktion eingeleitet, die zu einer Reduktion der Plaques führt. Das Medikament kann den Krankheitsverlauf im frühen Stadium der AD verlangsamen.
Unerwünschte Nebenwirkungen können hier u. a. aus einer übersteigerten Immunreaktion resultieren. Diese lokalen Reaktionen im Hirngewebe werden unter dem Oberbegriff „amyloid-related imaging abnormalities“ (ARIA) zusammengefasst. Sie präsentieren sich z. B. als Ödem (ARIA-E) oder Mikroblutungen (ARIA-H) im Hirnparenchym. Das Risiko, ARIA im Rahmen der Therapie zu entwickeln, steigt mit zunehmender Plaquedichte und ist mit dem APOE-Genotyp assoziiert.
Im November 2024 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine positive Empfehlung für die Zulassung von Leqembi® mit dem Wirkstoff Lecanemab für die Alzheimer-Therapie ausgesprochen. Die entsprechende Zulassung erteilte die Europäische Kommission im April 2025. Zugelassen ist Lecanemab nur zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der AD.
Lecanemab ist für diejenigen Alzheimer-Patienten indiziert, die „nur eine oder keine Kopie des APOE4-Allels“ aufweisen. Dies trifft für rund 85 % aller Menschen mit Alzheimer zu. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für ARIA geringer als bei Menschen mit APOE4-Homozygotie (ca. 15 % der Betroffenen).
Eine Testung auf den APOE4-Status sowie eine entsprechende Aufklärung sollte vor Einleitung der Behandlung durchgeführt werden, um das Risiko der Entwicklung einer ARIA abzuschätzen.
Neben der genetischen Testung empfiehlt der CHMP vor Beginn und während der Behandlung regelmäßige Magnetresonanztomographien (MRTs) zur Überwachung auf ARIA durchzuführen.
Wir führen im Labor 28 die molekulargenetische Untersuchung des APOE-Gens (APOE-Genotypisierung) mittels Real-Time PCR für beide Indikationen (Fettstoffwechselstörung bzw. vor Lecanemab-Therapie) durch. Für diese Untersuchung wird EDTA-Blut und eine Einwilligung nach GenDG benötigt. Bitte geben Sie dabei eine Information zur Indikation der Untersuchung an.
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Literatur:
1. Kane M. Lecanemab therapy and APOE genotype. In: Pratt VM, Scott SA, Pirmohamed M et al., Hrsg. Medical Genetics Summaries [Internet]. Bethesda (MD): National Center for Biotechnology Information (US); seit 2012. Stand: 12.08.2024, aktualisiert: 25.11.2024. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK605938/
2. van Dyck CH, Swanson CJ, Aisen P et al. Lecanemab in early Alzheimer's disease. N Engl J Med. 2023; 388(1):9–21. DOI: 10.1056/NEJMoa2212948
3. S3-Leitlinie Demenzen. Fassung vom 28.03.2025. Version: 5.1. AWMF-Register Nr. 038-013. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013
4. European Commission. Union Register of medicinal products for human use – Leqembi, Product information. https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2025/20250415164782/anx_164782_en.pdf