Für Sie gelesen: Künstliche Intelligenz (KI) in der Onkologie
Ein möglicher Nutzen künstlicher Intelligenz in der Onkologie kann in mehrfacher Hinsicht gesehen werden. Im klinischen Alltag könnten KI-gestützte Entscheidungsunterstützungssysteme die Arbeit der Onkologen erleichtern, indem relevante Informationen in Echtzeit bereitgestellt werden. Auch kann durch Automatisierung von Routineaufgaben die Arbeitslast reduziert werden.
BIRGIT HOLLENHORST
Des Weiteren sind KI-Algorithmen gut in der Lage, durch die Analyse von medizinischen Bilddaten Tumore präzise zu erkennen und in der personalisierten Therapie die Identifizierung von genetischen Markern einzubeziehen. Die Analyse von Lebensstilen mit Hilfe der KI, die zum Beispiel über Wearables zur Verfügung gestellt werden, könnte zur Prävention von Erkrankungen beitragen.
Eine der Voraussetzungen für diese Möglichkeiten ist aber die Bereitstellung von großen standardisierten Datensätzen (Big Data), welche komplexe, verschiedene Datentypen wie medizinische Bilder (z. B. histologische, radiologische), genomische Daten und klinische Informationen umfassen. Einheitliche Standards für Datenformate, Protokolle und Terminologien sind dafür erforderlich. Vertrauen in die neue Technologie kann unter anderem durch Transparenz und Interpretierbarkeit der KI-Algorithmen entstehen. Es muss nachvollziehbar sein, wie Daten verarbeitet, analysiert oder gespeichert werden. Eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Informatikern, Wissenschaftlern und Patienten ist nötig. Diese Zusammenarbeit wäre ein kontinuierlicher Prozess, der offene Standards für einen effizienten Datenaustausch erfordert. Eine weitere große Herausforderung sind der Datenschutz und ethische Aspekte bei der Verwendung von sensiblen Patientendaten. KI-Systeme dürfen keine vertraulichen, sensiblen oder personenbezogenen Informationen erhalten, die Rückschlüsse auf Patientendaten oder andere geschützte Informationen zulassen.
Die Bedeutung von genomischen Daten liegt bei der Anwendung von KI in der Onkologie in der Identifizierung von personalisierten Therapieoptionen für Krebspatienten. Durch die Analyse von Genomsequenzen könnten spezifische genetische Veränderungen identifiziert werden, die für das Tumorwachstum verantwortlich sind und gezielte Therapien entwickelt werden, um die Wirksamkeit der Therapien zu erhöhen, bei gleichzeitiger Minimierung der Nebenwirkungen. Eine mögliche Resistenz auf eine Therapie sollte besser vorhersagbar sein. „Die Therapieempfehlungen werden insbesondere im Zeitalter hochdimensionaler Datensätze von multiprofessionellen (molekularen Tumor-) Boards ausgesprochen.“
„Die Extraktion der Nukleinsäuren erfolgt in der Regel aus Tumorzellen des betroffenen Gewebes oder als zellfreie DNA aus dem Plasma … Genomische Daten erfordern eine sorgfältige Beachtung sowohl des Zeitpunkts der Probenentnahme als auch der Lokalisation der gewonnenen Proben: Genetische Profile von Tumorzellen ändern sich longitudinal und evolutionär von der Erstdiagnose, nach bestimmten Therapiezyklen – v. a. mit molekular-stratifizierter Therapie – sowie an verschiedenen Lokalisationen/Metastasierungen.“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2016 die Medizin-informatik-Initiative (MII) und später die „Digitale FortschrittsHubs Gesundheit“ ins Leben gerufen und mit rund 500 Mio. € gefördert. Derzeit arbeiten im Rahmen der MII alle Universitätskliniken Deutschlands gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretungen daran, die Rahmenbedingungen für sichere Datennutzung zu entwickeln, damit Erkenntnisse aus der Forschung direkt die Patientinnen und Patienten erreichen können. Es wird an neuen Algorithmen zur klinischen Entscheidungsunterstützung geforscht, und es werden standardisierte Kerndatensätze entwickelt und erweitert, um diese speziell für die Dokumentation von präzisionsonkologisch behandelten Patienten nutzen zu können.
Anmerkung
Mögliche Risiken bei der Anwendung von KI von großen externen Anbietern und Betreibern sind ein möglicher Kontrollverlust über die Datenverarbeitung und eine externe Abhängigkeit. Alle durch KI erstellten Inhalte müssen von den Mitarbeitenden sorgfältig geprüft werden, um fehlerhafte oder ungenaue Informationen zu vermeiden. Das Hochladen ganzer Dokumente in KI-Systeme könnte zu datenschutzrechtlichen Pannen führen. Gezielte Angriffe auf KI-Systeme könnten zu manipulierten Daten mit falschen Ergebnissen führen. Bei der Anwendung von KI-Systemen ist kritisch zu hinterfragen: Bestehen Risiken für IT-Systeme oder Netzwerke? Ist die Nutzung mit internen und gesetzlichen Vorgaben vereinbar? Da KI-Technologien kontinuierlich weiterentwickelt werden, ist zudem eine regelmäßige Schulung der Mitarbeitenden erforderlich.
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Literatur:
- 1. Metzger P, Gräßel L, Illert AL, Boerries M. Sondersituation der Daten in der Onkologie. Die Onkologie. 2024; 30(5):347–352