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Syphilis – das Chamäleon der Infektiologie

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts wurde in Deutschland im Jahr 2022 ein Anstieg der neu diagnostizierten, behandlungsbedürftigen Syphilis-Infektionen um 23,1 % mit Schwerpunkten in Berlin (Inzidenz: 41,3/100.000 Einwohner) und Hamburg (Inzidenz: 23,1/100.000 Einwohner) registriert. Das in Deutschland implementierte Lues-Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge konnte jedoch trotz der steigenden Inzidenz in der Bevölkerung die Syphilis connata beim Neugeborenen bis auf wenige Einzelfälle pro Jahr minimieren (2001 bis 2019: 1 bis 7 Fälle/Jahr; 2021: 2 Fälle; 2022: 3 Fälle).

DR. MED. ANITA DURST-JANCZAK



Die akute Infektion (Frühsyphilis) verläuft in der Hälfte der Fälle asymptomatisch und kann daher jahrelang unerkannt bleiben. Bei den symptomatischen Verläufen einer Frühsyphilis entsteht nach einer Inkubationszeit von ca. 14 bis 24 Tagen (bis zu 90 Tagen) ein Primärkomplex an der Eintrittsstelle (schmerzloses Ulcus durum mit regional geschwollenen Lymphknoten) und nachfolgender hämatogener und lymphogener Generalisierung (Fieber, Lymphknotenschwellungen und diverse Hauterscheinungen). Das klinische Bild der Spätsyphilis kann sich nach zum Teil jahrelanger Latenz mit einem breiten Spektrum an dermatologischen, neurologischen, psychiatrischen und vaskulären Symptomen präsentieren. Die Syphilis gilt daher als „Chamäleon“ der Infektiologie und sollte insbesondere bei Risikopopulationen und entsprechender Anamnese in die Differentialdiagnostik miteinbezogen werden.

Syphilis in der Schwangerschaft

Bei einer unbehandelten Syphilis in der Schwangerschaft kann es ab der 12. Schwangerschaftswoche zu einer diaplazentaren Übertragung auf den Feten kommen, die zu Aborten oder einer Syphilis connata führen kann. Das Risiko ist im Stadium der (unbehandelten) Frühsyphilis (< 1 Jahr) am höchsten. Im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wird zu einem möglichst frühen Schwangerschaftsstadium ein Lues-Suchtest empfohlen, der bei klinischem Verdacht oder Risikokontakten auch im weiteren Verlauf der Schwangerschaft wiederholt werden sollte. Da bei spätlatenten Lues-Stadien negative IgM- und VDRL-Befunde vorkommen können, wird bei Schwangeren mit fehlender oder unklarer Behandlungsanamnese bereits bei einem TPHA-Titer > 1:5120 auch ohne Aktivitätsmarker eine Sicherheitstherapie empfohlen.

Diagnostik

Erreger der Syphilis ist das sexuell (selten parenteral) oder diaplazentar übertragene Bakterium Treponema pallidum subspecies pallidum (T. pallidum). Als Spirochäten sind sie in der konventionellen Mikrobiologie (bakteriologischer Abstrich auf „Erreger und Resistenz“) nicht anzüchtbar und daher kulturell nicht nachweisbar. Der direkte Erregernachweis mittels PCR aus Abstrichen ist Spezialfällen vorbehalten (z. B. Frühsyphilis mit noch negativer Serologie) und ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen.

Die Diagnostik beruht auf dem serologischen Nachweis von Antikörpern gegen T. pallidum. In der Regel sind die Antikörper gegen T. pallidum 2 bis 3 Wochen nach der Infektion im Serum nachweisbar. Eine negative Serologie sollte gegebenenfalls nach 1 bis 2 Wochen wiederholt werden und schließt nach 8 bis 10 Wochen bei Immungesunden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine primäre Syphilis aus.

Serologische Stufendiagnostik der Syphilis (mind. 1 ml Serum):

Initial wird im Labor 28 ein Lues-Suchtest (CLIA) durchgeführt, der bei reaktivem Ergebnis automatisch weitere Testungen nach sich zieht:

  • Bestätigungstest:TPHA-Titer
  • Aktivitätsmarker/Behandlungsbedürftigkeit: VDRL-Titer
  • Lues-IgM-Immunoblot

Fazit

Vor dem Hintergrund der steigenden Syphilis-Inzidenz in der Bevölkerung (vor allem bei Risikopopulationen) sollte die Syphilis als Differentialdiagnose mitbedacht werden.

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Literatur

  1. Jansen K, Bremer V: Syphilis in Deutschland in den Jahren 2020-2022 – Neuer Höchststand von Infektionen nach Rückgang während der COVID-19-Pandemie. Epid Bull 2024;7:3-24 | DOI 10.25646/11907
  2. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Syphilis. Aktualisierung S2k 2021, Version 1.1. Addendum 1/21
  3. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Geburt (Mutterschafts-Richtlinie/Mu-RL) in der Fassung vom 21. September 2023. Zuletzt geändert am 28. September 2023. In Kraft getreten am 19. Dezember 2023.

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