5 Jahre COVID-19: Was bleibt wichtig und was haben wir für künftige Pandemien gelernt?
DR. MED. MICHAEL MÜLLER
Im Januar 2020, also vor gut fünf Jahren, wurde in Deutschland der erste COVID-19-Fall identifiziert. Schon nach wenigen Wochen gab es bundesweit eine steigende Anzahl weiterer Infektionsfälle mit dem ebenfalls 2020 neu entdeckten SARS-CoV-2-Virus, die ohne einen Bezug zu China auftraten. Damit war das Virus in Deutschland angekommen und führte zu der uns sicher noch wohl bekannten pandemischen Ausbreitung mit all den Folgen.
Kaum einer wird noch regelmäßig das beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gehostete Infektionsradar ansehen oder gar in den epidemiologischen Wochenbericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) schauen. Die SARS-CoV-2-Infektion ist zu einer „üblichen“ Infektionserkrankung geworden, auch dank der über Infektionen und Impfungen aufgebauten Immunität in der Bevölkerung und des Auftretens von Virusvarianten mit durchschnittlicher Pathogenität.
Gleichzeitig bleibt COVID-19 für entsprechende Patientengruppen eine Risikoerkrankung und bedarf dann einer darauf ausgerichteten ärztlichen Betreuung. Die Indikation für eine im Labor durchgeführte SARS-CoV-2-PCR-Untersuchung wird deutlich seltener gestellt und steht dann eher im Zusammenhang mit der differentialdiagnostischen Abklärung klinisch nicht so eindeutig unterscheidbarer Viren als Verursacher einer akuten Atemwegserkrankung, die einer ärztlichen Intervention bedarf.
Abseits der (gesundheits-)politisch geführten und eher auf das Suchen von „Verantwortlichen für Fehler“ ausgerichteten Debatte um eine „Aufarbeitung“ der SARS-CoV-2-Pandemie, in der die Diagnostik auch keine Rolle zu spielen scheint, stellt sich aus der Sicht der Versorgung durchaus die Frage, was wir quasi „mitnehmen“ aus dieser Pandemie und bewahren, damit wir das Richtige und Gute in der für uns alle enorm belastenden Zeit beim nächsten Mal „abrufen“ und anwenden können.
Dabei ist es nicht immer hilfreich, dass manche die COVID-19-Pandemie im Rückspiegel mit den heutigen Erkenntnissen bewerten und „ex post“ Kritik an Abläufen üben, die „ex ante“ richtig waren und sind und vermutlich in einer nächsten Pandemie so oder ähnlich richtig sind. Das wird sicher auch abhängig sein davon, welche Art von Infektionserkrankung mit welchem Erreger eine nächste Pandemie auslösen wird. Die Wissenschaft sieht hier das höchste Risiko ausgehend von Viren.
Wir tun also gut daran, uns Gedanken zu machen und zu klären, was wir aus der COVID-19-Pandemie mitnehmen können und sollten in die Vorbereitung auf eine kommende Pandemie gehen. Wenngleich niemand so genau sagen kann, wann das sein wird, besteht aufgrund des Klimawandels, des destruktiven Eingriffs des Menschen in die Lebensräume von Tieren und Pflanzen und der globalen Mobilität ein gewisses Risiko, dass es „jederzeit“ wieder geschehen kann.
Was ist aus der Sicht des fachärztlichen Labors im Sinne der „Pandemic Preparedness“ zu beachten?
1. Medizin ist ärztlich verantwortet, interdisziplinär und sektorenunabhängig.
Es ist sicher richtig, dass über das gebildete Netzwerk der Universitätsmedizin die Zusammenarbeit in Forschung, Lehre und der Krankenversorgung in den Universitäten gefördert wird. Die Vernetzung sollte jedoch in Kenntnis des Umstandes, dass in einer konkreten Pandemie ein sehr hoher Anteil der Versorgung außerhalb der Universitäten erfolgt, auch andere Akteure aus dem stationären und insbesondere aus dem ambulanten Versorgungsbereich proaktiv einbeziehen. Das gilt insbesondere für die fachärztlichen Labore, ohne die eine bedarfs- und zeitgerechte Diagnostik bei einer Pandemie nicht möglich ist.
2. Es braucht eine kontinuierliche Überwachung im Sinne einer Erreger-Surveillance.
Die Etablierung der virologischen und syndromischen Surveillance schwerer respiratorischer Infektionen (SARI) am RKI ist ein wichtiger positiver Schritt, um das Auftreten und die Verbreitung von Infektionserregern zu überwachen. Sie sollte im Sinne einer verbesserten Pandemieprävention ausgebaut werden.
3. Die Diagnostik sollte im Sinne infektionsepidemiologischer Ziele eher gefördert werden.
Die diagnostische Medizin sollte mehr im Sinne ihres Nutzens für die Pandemieprävention und bei entsprechenden Verdachtssituationen auch für die Diagnostik von Infektionserkrankungen gesehen werden. Dabei spielen die medizinisch-ärztliche Indikationsstellung und die Beratung der Fachärztinnen und Fachärzte im Labor hierzu eine bedeutende Rolle.
4. Die Finanzierung der Pandemic Preparedness ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Die Gesellschaft hat ein hohes Eigeninteresse, Pandemien frühzeitig zu erkennen. Dabei spielt die internationale Zusammenarbeit eine große Rolle. Die Finanzierung der hierfür erforderlichen Mittel sollte generell aus Steuergeldern und nicht aus den Krankenversicherungsbeiträgen finanziert werden. Das gilt im Übrigen für alle versicherungsfremden Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Infektionsschutzgesetz stehen.