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Adultes Still-Syndrom

Der Morbus Still des Erwachsenen (engl. Adult-onset Still's disease [AOSD]) ist eine seltene polygenetische, autoinflammatorische Erkrankung mit erhöhter Morbidität und Mortalität. Die Bezeichnung „Morbus Still“ geht auf den britischen Kinderarzt Sir George Frederic Still und seine erste Fallbeschreibung bei einem Kind im Jahre 1896 zurück.

DR. MED. ANTJE HOHMANN DA SILVA

Wegen weitgehend überlappender Pathogenese, klinischer Merkmale und genetischer Prädisposition werden das im Kindesalter auftretende Still-Syndrom, für das aktuell der Begriff ‚systemische juvenile idiopathische Arthritis‘ (sJIA) verwendet wird, und das adulte Still-Syndrom, mit Beginn im Erwachsenenalter, als dieselbe Erkrankung mit jeweils unterschiedlichen Manifestationszeitpunkten verstanden.

Die Diagnose eines AOSD soll laut Empfehlung der 2022 erschienenen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh-S2e-Leitlinie) auf der Basis der typischen klinischen Symptomatik erfolgen. Es kann bei Vorliegen einer Kombination sehr häufiger Symptome (> 50 % der Fälle) wie Fieber > 39 °C, lachsfarbenes, makulopapulöses Exanthem, Arthralgien (> 80 %), Arthritis, Halsschmerzen, Lymphadenopathie, Myalgien, häufiger Symptome (> 20 %) wie Splenomegalie, Hepatomegalie, Gewichtsverlust und seltener charakteristischer Symptome (< 20 %) wie Pleuritis, Perikarditis und abdomineller Schmerzen erwogen werden. Dabei sollen alternative Diagnosen, wie z. B. hämatoonkologische Erkrankungen, entzündlich rheumatische Erkrankungen und Infektionserkrankungen ausgeschlossen werden.

Das AOSD verläuft individuell unterschiedlich, wobei monozyklische, polyzyklische und chronische Verläufe vorkommen können. Hinsichtlich der Gelenkbeteiligung sind polyartikuläre Manifestationen häufiger als oligo- oder monoartikuläre Verlaufsformen. Sehr häufig betroffen (> 50 %) sind dabei Knie, Sprunggelenke und Handgelenke. Häufig betroffen (> 20 %) sind hingegen Ellenbogen, Schultern und Fingergelenke. Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Erschöpfung (Fatigue) werden als wesentliche Allgemeinbeschwerden beim AOSD beklagt.

Sind die sog. Yamaguchi-Klassifikationskriterien (siehe Tab. 1) erfüllt, unterstützt dies die klinische Diagnose eines AOSD (die Klassifikation als AOSD fordert ≥ 5 Kriterien, von denen 2 Major-Kriterien sein müssen).

Tabelle: Yamaguchi-Klassifikationskriterien für AOSD(1)

Von Laborseite liegen beim AOSD charakteristischerweise ein deutlich erhöhter Ferritinwert (≥ 5-fach des oberen Normwerts) und ein erhöhtes CRP vor. Weitere in der Leitlinie genannte Biomarker zur Diagnostik und Krankheitsaktivitätsmessung, wie ein erhöhter Interleukin-18-Spiegel und ein erniedrigter Anteil des glykolysierten Ferritins, können in der Diagnosestellung hilfreich sein, sind im Routinelabor aber leider noch nicht flächendeckend verfügbar.

Liegt ein entzündliches Krankheitsbild bzw. Fieber unklaren Genese vor, so ist die Ausschlussdiagnostik patientenindividuell verschieden, wobei neben bildgebenden Verfahren in der Regel eine Kombination aus Routinelabor- und immunologischen Parametern zum Einsatz kommt. Je nach Anamnese sind hier insbesondere das große Blutbild, ggf. die Immunphänotypisierung, Procalcitonin, ANA, die Komplementfaktoren C3 und C4, ANCA, IgM-RF, ACPA und ggf. Blutkulturen sowie die infektionsserologische Erregerdiagnostik (bspw. AK gegen Borrelien, Chlamydia trachomatis, Parvovirus B19, Yersinien, Campylobacter, Salmonellen und ASL) indiziert. Eine genetische Diagnostik zum Ausschluss anderer autoinflammatorischer Syndrome, wie z. B. des familiären Mittelmeerfiebers (Untersuchung des MEFV-Gens; Aufklärung und Einwilligung nach GenDG erforderlich) kann bei periodischem Fieberverlauf differenzialdiagnostisch ebenfalls sinnvoll sein.

Bei gesichertem AOSD sollte laut Leitlinienempfehlung dessen Krankheitsaktivität anhand typischer klinischer Zeichen und Laborveränderungen überwacht werden. CRP- und Ferritin-Erhöhungen sind generell mit einer erhöhten Krankheitsaktivität assoziiert. Eine gefürchtete Komplikation des AOSD ist die Entwicklung eines Makrophagen-Aktivierungssyndroms (MAS, auch als erworbene hämophagozytische Lymphohistiozytose bezeichnet). Klinisch imponieren hierbei v. a. persistierendes Fieber, Splenomegalie, Lymphadenopathie und neurologische Symptome (Beurteilung der erhöhten klinischen Aktivität bspw. anhand des sog. Systemic Score nach Pouchot). Zu den Laborauffälligkeiten beim MAS zählen bspw. typische Blutbildveränderungen, wie Leukopenie mit Lymphopenie, Anämie und Thrombopenie, stark erhöhte Werte für Ferritin, IL-6, Triglyzeride, Transaminasen und LDH, ein erhöhter löslicher Interleukin 2-Rezeptor und niedrige Werte für Fibrinogen und BSG.

Eine interstitielle Lungenerkrankung und eine Perimyokarditis sind ebenfalls mit einer schlechten Prognose im Rahmen des AOSD verbunden. Auch diese Komplikationen sind mit einer erhöhten klinischen Aktivität sowie erhöhtem Ferritin und CRP assoziiert. Beim AOSD sollte, insbesondere bei länger andauernder, aktiver Erkrankung, auch an die seltene Komplikation einer systemischen Amyloidose gedacht werden.

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Literatur

  1. DGRh-S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des adulten Still-Syndroms (AOSD), AWMF-Register-Nr. 060-011, 08/2022, erschienen in Z Rheumatol 2022·81 (Suppl 1):S1-S20
  2. Vordenbäumen S, Feist E. Adultes Still-Syndrom. Z Rheumatol 2023·82:134–142
  3. Kedor C, Feist E. Adulter Morbus Still – Neues zur Diagnostik und Therapie. Akt Rheumatolog 2017;42:37-45

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