Skip to main content

Reaktive Arthritis

Definition: Als reaktive Arthritis bezeichnet man eine entzündliche Gelenkerkrankung, die als Zweiterkrankung nach meist gastrointestinalen oder urogenitalen Infektionen auftreten kann. Die akute Infektion kann Tage bis Wochen zurückliegen.

MAHMOUD DBASE

Epidemiologie

Die Prävalenz der reaktiven Arthritis beträgt etwa 40 pro 100.000 Einwohner (m:w = 1:1).

 

Ätiologie

  1. Genetische Prädisposition: 60–80 % der Patienten sind HLA-B27 positiv.
  2. Auslösende bakterielle Infektion:
    • Nach Gonorrhoe oder nicht-gonorrhoischer Urethritis (durch Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalium u. a.)
    • Nach Infektionen durch Yersinien, Salmonellen, Shigellen, Campylobacter u. a. Enteritiserreger
    • Nach respiratorischen Infektionen durch Chlamydophila pneumoniae oder Streptococcus pyogenes
    • Infektion mit Borrelien nach Zeckenbiss
  3. Arthritiden können auch bei einer Vielzahl von Viruserkrankungen vorkommen. Dabei treten die Gelenkaffektionen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Infektion auf (parainfektiös). Am häufigsten ist die virale Arthritis durch Parvovirus B19.

 

Pathogenese

Postinfektiös kann es z. B. nach einer Chlamydien-Infektion zu einer intrazellulären Persistenz inaktiver Erreger kommen, welche bei genetischer Disposition eine reaktive Arthritis im Sinne einer Autoimmunreaktion auslösen und unterhalten können. Die reaktive Arthritis ist in der Regel aseptisch, d. h. bakterielle Erreger lassen sich aus dem Gelenkpunktat nicht anzüchten. Allerdings können bei einem Teil der Patienten im Gelenkpunktat mittels PCR Erregerbestandteile nachweisbar sein.

 

Klinisch

Mit einer Latenzzeit von 2–6 Wochen nach einer Gastroenteritis oder einer urogenitalen Infektion entwickelt sich eine Zweiterkrankung als akute Oligoarthritis oder Polyarthritis, die generell weniger als sechs Gelenke einbezieht. Klinisch zeigt sich eine schwere Allgemeinerkrankung mit Fieber und schmerzhaft geröteten, geschwollenen und überwärmten Gelenken. Häufig betroffen sind insbesondere das Hüft-, Knie- und Sprunggelenk.

Das klinische Vollbild mit 3 oder 4 Hauptsymptomen wird als Reiter-Syndrom bezeichnet und findet sich bei einem Drittel der Patienten.

Hauptsymptome des Reiter-Syndroms

  1. Arthritis (oft asymmetrisch)
  2. Urethritis
  3. Konjunktivitis/Iritis
  4. Reiter-Dermatose: randbetonte psoriasiforme Erytheme der männlichen Genitalschleimhaut (Balanitis circinata); aphthöse Läsionen im Mundraum; schwielenartige, teils pustulöse Veränderungen an Handflächen und Fußsohlen (Keratoderma blennorrhagicum); psoriasiforme Hautveränderungen am Körper.

1–3 = Reiter-Trias; 1–4 = Reiter-Tetrade

Eventuelle Begleitsymptome

  • Fieber
  • Sakroiliitis
  • Enthesis (Enthesiopathien)
  • selten Beteiligung innerer Organe: z. B. Karditis, Pleuritis

 

Labor

  • Assoziation mit HLA B27 (30–50 %)
  • Rheumafaktor (RF) meist negativ
  • CCP-Antikörper (zyklische citrullinierte Peptid-Antikörper), auch ACPA (anti-citrullinierte Protein-Antikörper) genannt, sind in bis zu 12 % der Fälle positiv.
  • BSG- und CRP-Erhöhung, Leukozytose und Linksverschiebung liegen in der akuten Krankheitsphase vor.
  • Synovialanalyse ist nur sinnvoll zur Abgrenzung gegenüber der septischen Arthritis, bei der meist ein Erreger kulturell nachweisbar ist.
  • ASL und Streptokokken-DNase B

Da bei der reaktiven Arthritis eine zeitliche Latenz zwischen der Primärinfektion und dem Auftreten der Symptome liegt, ist der direkte Erregernachweis häufig nicht mehr möglich. In diesen Fällen kann ein serologischer Nachweis von Erregerantikörpern versucht werden (Antikörper gegen Borrelien, Chlamydien, Yersinien, Salmonellen, Campylobacter, Parvovirus B19 u.  a.).

 

Material

2 ml Serum, 3 ml EDTA-Blut für HLA-B27 (Einwilligung nach GenDG erforderlich)

 

Therapie

Für die medikamentöse Therapie kommen in erster Linie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder Ibuprofen in Frage. Bei schweren, auf NSAR nicht ausreichend ansprechenden Verläufen, kann eine kurzzeitige Therapie mit Kortikosteroiden notwendig sein.

Ist der auslösende Erreger der reaktiven Arthritis nachzuweisen (z. B. Chlamydien), wird eine entsprechende antibiotische Therapie eingeleitet. Entwickelt sich eine chronische Arthritis, kann eine Therapie mit Sulfasalazin oder Methotrexat erforderlich sein.

Zusätzlich zur medikamentösen Therapie sollten physiotherapeutische Maßnahmen wie Kältetherapie, Bewegungsübungen und Manualtherapie durchgeführt werden, um die Schmerzen zu lindern, die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern und einer Muskelatrophie vorzubeugen.

 

Prognose

Die Gelenkbeschwerden dauern in der Regel ca. 3–5 Monate. Etwa 15 % der Patienten entwickeln eine chronische Symptomatik. Oligosymptomatische Verläufe haben eine günstigere Prognose als das voll ausgebildete Krankheitsbild in Form des Reiter-Syndroms.

---

Literatur:

  1. Dr. med. Lothar Thomas, Labor und Diagnose
  2. Gerd Herold und Mitarbeiter, Innere Medizin 2020
  3. Reaktive Arthritis – Symptome, Diagnose, Behandlung, Deutsche Rheuma-Liga