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Polycystisches Ovarsyndrom (PCOS) – Pathogenese und Labordiagnostik der interdisziplinären Erkrankung

Mit einer Prävalenz von 8–13 % ist das PCOS die häufigste endokrinologische Störung der Frauen im gebärfähigen Alter mit Auswirkungen auf die Fertilität, den Stoffwechsel und nicht zuletzt auch auf das psychische Wohlbefinden. Die klinische Symptomatik einer Oligo- oder Amenorrhoe mit Einschränkung der Fertilität, Hirsutismus, Akne, Adipositas und die ursprünglich namensgebenden polycystischen Ovarien können vorliegen.

DR. ANJA-BRITTA SUNDERMANN

Bei einem Großteil der Patientinnen besteht eine Störung der Insulinwirkung (Insulinresistenz), die das PCOS mit dem Metabolischen Syndrom (Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung und Arteriosklerose) verbindet. Dementsprechend haben Frauen mit PCOS ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie Konorare Herzerkrankung, Myokardinfarkt, Apoplex und arterielle Verschlusskrankheit.

Die 2018 erstellten internationalen Leitlinien der australischen, europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften (1) bauen zur Diagnosestellung weiterhin auf den aus 2003 bekannten Konsensus der Rotterdam-Kriterien (2) auf. Die Veröffentlichung der nationalen AWMF-Leitlinie ist für Ende 2023 geplant. Gefordert werden bei erwachsenen Patientinnen zwei der drei Kriterien

  1. Zyklusstörungen, ovarielle Dysfunktion
  2. Hyperandrogenämie, Hirsutismus
  3. sonographisches Bild polycystischer Ovarien

Bestehen also Zyklusstörungen und Hyperandrogenämie, ist eine bildgebende Diagnostik nach Leitlinien nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere auch für jugendliche Patientinnen, hier wird wegen in der Pubertät physiologischer Reifungsprozesse und Vermeidung von Überdiagnosen bei Verdacht allenfalls ein erhöhtes Risiko für PCOS vorgeschlagen. Eine endgültige Diagnose wird erst acht Jahre nach der Menarche gestellt.

Für die Pathogenese spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, die zu einer Störung der physiologischen Regelkreise im Zyklusgeschehen mit Auswirkungen auf den Metabolismus im Sinne eines Circulus vitiosus führen. Die ovarielle Hyperandrogenämie hemmt hypothalamisch die Expression von Progesteronrezeptoren. Dies führt zu einer gestörten negativen Rückkopplung auf die dortige GnRH-Sekretion und -Pulsatilität mit der Folge einer vermehrten Freisetzung von LH im Verhältnis zu FSH (LH/FSH > 1).

LH stimuliert wiederum die Androgensynthese in den Thekazellen des Ovars, was eine Follikelreifungsstörung bedingt. In den Granulosazellen des Ovars findet bei PCOS eine vermehrte Synthese von AMH statt. Die hierdurch herabgesetzte Aktivität der Aromatase, welche Androgene in Östrogene umwandelt, bewirkt einen weiteren Anstieg der Androgene. Bei ausbleibender Ovulation fehlt der Progesteronanstieg und dessen negative Rückkopplung auf die hypothalamische Gonadotropinsekretion.

Der Hyperandrogenismus führt zu einer herabgesetzten Insulinsensitivität der Körperzellen, dies führt reaktiv zu einer Hyperinsulinämie, welche auch die Gewichtszunahme begünstigt. Mit fortschreitender Dauer der Hyperinsulinämie kommt es zur ß-Zell-Dysfunktion im Pankreas mit erhöhtem Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 oder Gestationsdiabetes. Erhöhte Insulinspiegel führen neben direkter Wirkung auf das Ovar zu einer verminderten SHBG-Synthese in der Leber, sodass sich der Anteil freien und damit bioverfügbaren Testosterons im Blut erhöht.

Labordiagnostik

wenn möglich am Zyklusanfang

  • LH, FSH, Östradiol
  • Testosteron, SHBG (zur Berechnung des freien Testosterons und Androgen-Index)
  • DHEAS, Androstendion, 17-OH Progesteron
  • AMH

Hier sollte beachtet werden, dass unter Einnahme oraler Kontrazeptiva die Hormonwerte diagnostisch nicht verwertbar sind.

Lutealphasendiagnostik

Zyklustag 20 bis 24

  • Östradiol, Progesteron

Insulinresistenz/Metabolisches Syndrom

mind. 12 h nüchtern, weitere Präanalytik beachten

  • HOMA-IR (Glukose/Insulin)
  • Oraler Glukosetoleranztest, HbA1c
  • Gesamtcholesterin, HDL-, LDL-Cholesterin, Triglyceride

Das Ausmaß einer möglichen Insulinresistenz sollte bei Diagnosestellung und im Verlauf bestimmt werden. Dazu eignet sich der HOMA-IR-Wert mittels Berechnung aus Nüchternwert der Glukose und basalem Insulinwert (3). Die zusätzliche Durchführung eines oralen Glukosetoleranztestes liefert wertvolle Informationen über das Vorliegen einer pathologischen Glukosetoleranz oder eines bereits manifesten Diabetes mellitus.

Differenzialdiagnostik

Beim Nachweis erhöhter 17-OH-Progesteronwerte (s. o.) am Zyklusanfang findet sich eine Überlappung mit dem heterozygoten adrenogenitalen Syndrom (hAGS). Extrem selten kommen Androgenproduzierende Tumoren in Betracht. Da das PCOS definitionsgemäß eine Ausschlussdiagnose ist, sind darüber hinaus entsprechende weiterführende Laborbestimmungen unerlässlich:

  • Prolaktin (Hyperprolaktinämie, Prolaktinom)
  • TSH (Hypothyreose)
  • Cortisol im Speichel um Mitternacht, Dexamethason-Hemmtest (Cushing-Syndrom)

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Literatur:

  1. Teede HJ et al. (2018) Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Hum Reprod 33(9):1602–1618
  2. The Rotterdam ESHRE/ASRM-Sponsored consensus workshop group. Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome (PCOS). Hum Reprod 2004; 19: 41–7
  3. HOMA-IR (Homeostasis Model Assessment-Test): (Nüchterninsulin µU/ml x Nüchternglukose mmol/l) dividiert durch 22,5