Diagnostik der Prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI)
Der vorzeitige Verlust der Ovarialfunktion mit Eintreten der Menopause vor dem 40. Lebensjahr verbunden mit einer primären oder sekundären hypergonadotropen Oligo- oder Amenorrhoe wird als POI bezeichnet. Die Prävalenz beträgt ca. 1 % vor dem 40. Lebensjahr bzw. ca. 0,1 % vor dem 30. Lebensjahr. Als frühe Menopause bezeichnet man das Eintreten zwischen 40 und 44 Jahren, ab 45 Jahren ist das Eintreten der Menopause regelhaft, wenngleich das mittlere Menopausenalter ca. 51 Jahre beträgt.(1)
DR. MED. ANJA-BRITTA SUNDERMANN
Diagnosekriterien nach ESHRE(1)
- Lebensalter < 40 Jahre
- Primäre oder sekundäre Oligo-/Amenorrhoe > 4 Monate
- Erhöhtes FSH > 25 U/l in 2 Messungen im Abstand von 4 Wochen (Diskrepanz beachten: Die britischen NICE-Guidelines(2) setzen für FSH einen Grenzwert von > 30 U/l im Abstand von 4 bis 6 Wochen)
Bei der POI ist trotz Erfüllung aller Diagnosekriterien der Wiedereintritt von Menstruationen, Ovulationen sowie spontaner Schwangerschaft (ca. 5 %) möglich. Bei gesicherter Diagnose wird auch die radiologische Bestimmung der Knochendichte im DXA-Scan empfohlen. Auch wenn in vielen Fällen keine genaue Ursache gefunden werden kann, ist die diagnostische Abklärung der Ätiologie (modifiziert nach 1) bedeutsam:
Diagnostische Abklärung der Ätiologie
- Eigenanamnese (iatrogen bei Z. n. Chemo-/Radiotherapie oder OP im Bereich der Ovarien)
- Familienanamnese (4,6-fach erhöhtes Risiko, wenn Angehörige mit POI vorhanden)
- Genetisch bedingte POI
Diagnostik nach humangenetischer Beratung:
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- Karyotypisierung (Chromosomenaberrationen, z. B. Turner-Syndrom)
- Ausschluss einer FMR1-Prämutation (Fragiles-X-Syndrom)
- weitere zyto- oder molekulargenetische Diagnostik
- Autoimmunologisch bedingte POI
Im Rahmen eines polyglandulären Autoimmunsyndroms Typ 1 oder 2 kann eine Beteiligung der Nebennierenrinde und der Schilddrüse vorliegen:
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- 21-Hydroxylase-Antikörper
- TPO-Antikörper (in 14–27 %), TSH-Kontrolle jährlich
Bei Sicherung der Diagnose soll unter Beachtung möglicher Kontraindikationen auch bei asymptomatischen Patientinnen bis zum Eintreten des natürlichen Menopausenalters therapiert werden. Dies dient zur Reduktion der Folgen des chronischen Östrogendefizits mit den häufig vorhandenen typischen klimakterischen Symptomen sowie den langfristigen Auswirkungen auf die kardiovaskuläre und ossäre Gesundheit. Hier kommt primär empfohlen eine klassische Hormontherapie, je nach Abwägung auch eine Therapie mit kombinierten oralen Kontrazeptiva in Betracht.
Literatur:
- European Society for Human Reproduktion: ESHRE Guideline: management of women with premature ovarian insufficiency. Hum Reprod 2016; 31(5): 926–937.
- NICE (National Institute for Health and Care Excellence) guideline (2015) Menopause: diagnosis and management. Letztes Update 2019: www.nice.org.uk/guidance/ng23