Altershypogonadismus – der unterschätzte Testosteronmangel
Der Altershypogonadismus, der in die Gruppe des funktionellen Hypogonadismus gehört, ist beschrieben als Syndrom, das mit zunehmendem Alter auftritt und durch Symptome eines Androgenmangels sowie durch ein gegenüber den Referenzwerten von jüngeren Männern erniedrigtes Testosteron charakterisiert ist, bei gleichzeitig normalen Werten des luteinisierenden Hormons (LH).
DR. MED. LARS TEMPLIN
Zu einem funktionellen Hypogonadismus trägt nicht allein das Alter bei. Weitere häufige Ursachen sind unter anderem Adipositas und metabolisches Syndrom, chronische Entzündungen, Depression, Niereninsuffizienz, Opiattherapie oder exzessiver Sport. Hier ist die Testosteronerniedrigung die Folge der entsprechenden Erkrankung oder des entsprechenden Einflussfaktors, sodass zunächst überlegt werden soll, ob der endogene Testosteronwert nicht durch die Behandlung der entsprechenden Erkrankung oder die Veränderung des Einflussfaktors normalisiert werden kann.
Die Symptome eines Hypogonadismus sind sehr verschieden und auch zum Teil unspezifisch. Sie reichen von sexuellen Symptomen (z. B. erektile Dysfunktion, Abnahme der Libido oder des Bartwachstums) über psychische Symptome (z. B. Reizbarkeit, Nervosität, Ängstlichkeit, depressive Verstimmung) bis hin zu körperlichen Symptomen (z. B. übermäßiges Schwitzen, Schlaflosigkeit, Abnahme der Muskelkraft, Hitzewallungen).
Für die initiale Labordiagnostik ist die Bestimmung des Gesamttestosteronwerts am Morgen ausreichend. Liegt dieser bei über 12 nmol/l (3,5 ng/ml), ist meist keine weitere Diagnostik erforderlich – es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine komplexere endokrinologische Erkrankung (z. B. primärer Hypogonadismus bei Klinefelter-Syndrom). Ein Wert unter 12 nmol/l wird zunächst kontrolliert, zusätzlich werden das LH (luteinisierendes Hormon), Prolaktin und SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) bestimmt. Diese Parameter werden zur weiteren Differenzierung zwischen einem klassischen und einem funktionellen Hypogonadismus benötigt.
Im Testosteron-Graubereich von 8–12 nmol/l (2,3–3,5 ng/ml) soll das freie Testosteron mit berücksichtigt werden. Hierbei ist das berechnete freie Testosteron den Assays zur Bestimmung des freien Testosterons überlegen. Bei einem erniedrigten berechneten freien Testosteronwert und normalem LH und Prolaktin kann von einem funktionellen Hypogonadismus ausgegangen werden. Liegt das Ergebnis über diesem Schwellenwert, sollte ein Hypogonadismus ausgeschlossen werden. Bei einem morgendlichen Gesamttestosteron von < 8 nmol/l zu zwei verschiedenen Zeitpunkten gilt die Diagnose als gesichert.
Wenn die laborchemische Diagnose eines funktionellen Hypogonadismus mit entsprechenden signifikanten Symptomen korreliert, besteht die Indikation zur Testosteron-Substitution. Diese sollte nur bei fehlenden Kontraindikationen durchgeführt werden und erfolgt z. B. mit Gelen oder intramuskulärem Testosteron. Abschließend ist es wichtig hervorzuheben, dass der physiologische Abfall des Testosteronspiegels im Alter minimiert werden kann, wenn die zuvor genannten Erkrankungen und Faktoren therapeutisch angegangen werden.
Literatur
- Corona G, Goulis DG , Huhtaniemi I, Zitzmann M, Toppari J, Forti G, Vanderschueren D, Wu FC. European Academy of Andrology (EAA) guidelines on investigation, treatment and monitoring of functional hypogonadism in males. Andrology 2020; 8:970–987