Endokrine Nebenwirkungen bei Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren in der Onkologie – Labordiagnostik
Tumorzellen tragen durch Mutationen veränderte Oberflächeneigenschaften. Diese Neoantigene sollten prinzipiell von der Immunabwehr als fremd erkannt und die Zellen von den zytotoxischen T-Zellen eliminiert werden. Körpereigene Regulatoren bremsen diesen Mechanismus, um eine überschießende Immunantwort und auch Autoimmunphänomene zu vermeiden. Die onkologische Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren soll diese Unterdrückung der natürlichen Immunantwort verhindern und so die Tumorabwehr stärken.
DR. MED. ANJA-BRITTA SUNDERMANN
Checkpoint-Inhibitoren setzen an den Kontrollpunkten des Immunsystems für die Interaktion zwischen Antigen-präsentierenden Zellen, zytotoxischen T-Zellen und Tumorzielzellen an. Sie sind Antikörper gerichtet vor allem gegen den CTLA4-Rezeptor (cytotoxic T-lymphocyte associated protein 4) und PD-1-Rezeptor (programmed cell death protein 1) der zytotoxischen T-Zelle und dessen Liganden PD-L1 auf der zu eliminierenden Zelle. Checkpoint-Inhibitoren verhindern so die Unterdrückung der zytotoxischen T-Zell-Aktivität. Die Therapie findet Anwendung u. a. bei malignen Melanomen, nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen, Nierenzell- bzw. Urothelkarzinomen und Hodgkin-Lymphomen.
Die das Immunsystem stimulierenden Effekte erzeugen unter Therapie bei bis zu 80–95 % der Patienten Autoimmunphänomene, insbesondere bei Kombinationstherapien der Inhibitoren. Diese Nebenwirkungen (immune-related adverse events, irAEs) können sämtliche Organsysteme betreffen, z. B. als Colitis, Pneumonitis oder Hepatitis imponieren sowie Haut und ZNS befallen. Die Ausprägung reicht von leichter bis lebensbedrohlicher Symptomatik und die Erkennung ist diagnostisch komplex, da sich z. B. trotz autoimmuner Phänomene Autoantikörper oft nicht nachweisen lassen. Der Beginn der Symptome kann, auch in Abhängigkeit der angewendeten Inhibitoren, relativ zeitnah nach Therapiebeginn oder nach Monaten der laufenden Therapie bis hin zu Auftreten nach Therapieende vorkommen.
Bei den immunassoziierten endokrinologischen Nebenwirkungen sind, abhängig von den angewendeten Substanzen, die Autoimmunthyreopathie (4–16 %) und die Hypophysitis (0,1–18 %) häufig zu finden, seltener eine Autoimmunadrenalitis (0,7–8 %) oder ein autoimmuner Diabetes mellitus (0–7,6 %). Häufig ist die Symptomatik unspezifisch.
Die Autoimmunthyreopathie kann symptomatisch als Hypothyreose auftreten, die Bestimmung von erhöhtem TSH und niedrigem freien T4 hilft dabei zur Unterscheidung einer primären Hypothyreose von einer bei der Hypophysitis möglichen sekundären Hypothyreose mit inadäquat niedrigem bis erniedrigtem TSH-Wert. Im Rahmen einer destruierenden Thyreoiditis kann auch eine initial hyperthyreote Phase vorangehen. Zur Abgrenzung eines durch Immuntherapie ausgelösten M. Basedow dient die Bestimmung der TSH-Rezeptor Autoantikörper (TRAK).
Eine Hypophysitis, welche bei Nichterkennen lebensbedrohlich verlaufen kann, ist u. a. von Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Hypotonie und Hyponatriämie gekennzeichnet. Folge einer Hypophysitis ist die Insuffizienz der hypohysären Achsen, am häufigsten ist die thyreotrope Achse (84 %), gefolgt von der kortikotropen Achse (80 %), der gonadotropen Achse (76 %), seltener die somatotrope Achse betroffen. Die Bestimmung von Natrium, Kalium, idealerweise morgendlichem Nüchternkortisol und ACTH sind neben der Bestimmung der Gonadotropine (LH, FSH) und Testosteron beim Mann sowie FSH bei der postmenopausalen Frau und LH, FSH und Östradiol bei der prämenopausalen Frau angeraten (letztere bei regelhaftem Zyklusgeschehen verzichtbar).
Eine primäre Nebennierenrindeninsuffizienz lässt sich durch erhöhte ACTH-Werte von der sekundär durch Hypophysitis bedingten Insuffizienz unterscheiden. Auch sind hier erniedrigte Werte für Aldosteron und DHEAS bei erhöhtem Renin hinweisend.
Der seltenere, jedoch fulminant auftretende Immuntherapie-induzierte Diabetes mellitus tritt durch Insulinmangel mit den typischen Symptomen einer Polyurie, Polydipsie und Gewichtsverlust auf. Hypoglykämie, niedriges C-Peptid und häufig auch Nachweis von GAD- und IA2-AK sind zu finden. Die Bestimmung von HbA1c ist hierbei nicht zielführend. So sollte vor Beginn einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren die Anamnese mit Trinkmenge und Blutdruck sowie ein Status quo der Labordiagnostik erhoben werden und in der Folge vor jeder Applikation wiederholt werden, um die Entwicklung der Immunantwort mit den auftretenden Nebenwirkungen bei oft unspezifischer Symptomatik nicht zu übersehen.
Literatur
- Mai K, Fassnacht M, Führer-Sakel D, Honegger JB, Weber MM, Kroiss M. The diagnosis and management of endocrine side effects of immune checkpoint inhibitors. Dtch Arztebl Int 2021; 118: 389–96
- Braun GS, Kirschner M, Rübben A, Wahl RU, Amann K, Benesova K, Leipe J. Nebenwirkungen neuer onkologischer Immuntherapien. Nephrologe 2020;15:191–204