Ein hämatologischer Fall aus unserem Labor
Beim Mikroskopieren eines Differenzialblutbildes waren circa 11 Prozent atypische Lymphozyten aufgefallen. Es zeigten sich kleine und teilweise große lymphoide Zellen mit cerebriformen Kernen, die gut sichtbare Chromatinfurchen aufwiesen.
DR. MED. ADRIANNA JAGIELLO
Diese atypischen Lymphozyten werden als Sézary- bzw. Lutzner-Zellen bezeichnet. Im Differenzialblutbild war außerdem eine leichte Lymphopenie auffällig, des Weiteren konnte eine deutliche LDH-Erhöhung als Nachweis eines erhöhten Zellumsatzes nachgewiesen werden. Da uns keine Vorbefunde vorlagen, haben wir die behandelnde Ärztin kontaktiert, die berichtete, dass die 80-jährige Patientin an einem Sézary-Syndrom leide. Klinisch weise die Patientin eine Erythrodermie und generalisierte Schwellung der Lymphknoten auf.
Die uns heute als Sézary-Syndrom bekannte Krankheit wurde 1938 von Sézary und Bouvrain beschrieben. Hierbei handelt es sich um ein seltenes primäres kutanes T-Zell-Lymphom (< 5 % aller kutanen T-Zell-Lymphome). Der Altersgipfel für die Diagnose liegt zwischen 55 und 60 Jahren mit Bevorzugung des männlichen Geschlechts (m:w = 2:1). Die generalisierte Erkrankung kann alle Organe betreffen, am häufigsten sind jedoch der Oropharynx, die Lunge und das zentrale Nervensystem betroffen. Das Knochenmark kann unter anderem auch befallen sein. Die mediane Lebenserwartung liegt bei dieser aggressiven Erkrankung deutlich unter 5 Jahren, dabei versterben die meisten Patienten an opportunistischen Infektionen.
Zu den drei Hauptdiagnosekriterien gehört eine Erythrodermie. Dabei handelt es sich um eine generalisierte Rötung der Haut, die meist mit Schuppung, Infiltration und Juckreiz einhergeht. Des Weiteren ist eine generalisierte Lymphadenopathie und eine Aussaat neoplastischer Lymphozyten (Sézary-Zellen, auch Lutzner-Zellen genannt) in Haut und den Lymphknoten sowie eine leukämische Ausschwemmung ins periphere Blut zu den Hauptdiagnosekriterien dazugehörig. Zusätzlich ist eines oder sind mehrere der folgenden Kriterien für die Diagnose notwendig: absolute Sézary-Zellzahl von > 1000/μl, eine CD4/CD8-Ratio größer als zehn und/oder ein Verlust von einem oder mehreren T-Zell-Antigenen.
Das Blutbild zeigt initial eine deutlich erhöhte Leukozytenzahl, mit dem Fortschreiten der Erkrankung entwickelt sich im Verlauf eine Anämie und Thrombozytopenie. Bei der Aussaat der neoplastischen Zellen in das periphere Blut fallen im manuellen Differenzialblutbild atypische neben unauffälligen Lymphozyten auf. Morphologisch zeigen die überwiegend mittelgroßen Sézary-Zellen mit großen, eingekerbten und lobulierten Kernen (cerebriform). Das Zytoplasma ist bläulich, schmal und ungranuliert.
In der Durchflusszytometerie können die Zellen anhand ihrer immunphänotypischen Oberflächenmerkmale (Cluster of Differentiation = CD) charakterisiert werden. Die Sézary-Zellen sind typischerweise positiv für CD3 und CD4 und negativ für CD8, CD7 und CD26.