Sinnvolle Labordiagnostik beim Leitsymptom Müdigkeit
Das Leitsymptom „Müdigkeit“ kann sich auf unterschiedlichen Ebenen präsentieren: emotional (Motivationsmangel, niedergedrückte Stimmung), kognitiv (verminderte geistige Aktivität beziehungsweise Leistungsfähigkeit), Verhaltensaspekte („Leistungsknick“) und körperliche Aspekte (z. B. muskuläre Schwäche). Müdigkeit ist in der Hausarztpraxis in 10 bis 20 % der Fälle Haupt- oder Nebenberatungsanlass.
DR. MED. LARS TEMPLIN
Dabei kommt häufig ein bunter Strauß an Differenzialdiagnosen von A wie Anämie bis Z wie Zöliakie infrage. Differenzialdiagnostisch zu bedenken sind psychische Erkrankungen, Malignome, Anämie, Eisenmangel, endokrine Ursachen, Infektionen und Lebererkrankungen, chronisch somatische Erkrankungen sowie Schlafstörungen und schlafbezogene Atmungsstörungen.
Das empfohlene Basisuntersuchungsprogramm umfasst altersunabhängig neben einer auf Müdigkeitsursachen fokussierten Anamnese und körperlichen Untersuchung ein gezieltes Laborscreening. Wenn keine Hinweise auf eine definierte körperliche Störung vorliegen, sollte eine Laborbasisuntersuchung folgende Parameter beinhalten: Blutglukose, Blutbild, Blutsenkung/CRP, Transaminasen/Gamma-GT sowie TSH. Andere Leitlinien (Großbritannien, Australien) empfehlen zusätzlich die Bestimmung der Elektrolyte und Nierenretentionswerte.
Bei prämenopausalen Frauen ist ergänzend eine Ferritinbestimmung sinnvoll, wenn Anamnese, Befund und Basislabor unauffällig sind. Hier konnten neuere Untersuchungen zeigen, dass bei müden prämenopausalen Frauen eine Eisensubstitution nachweisbare Effekte bei erheblichem Eisenmangel und Hämoglobinwerten im unteren Normbereich haben kann.
Weitere seltene Erkrankungen, die in Verbindung mit Müdigkeit stehen, zumeist mit weiteren Symptomen in der Anamnese, sollten in die differenzialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen und eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden (siehe Infobox).
Pathologische Laborwerte und Auffälligkeiten in der Anamnese sollten nach einem eventuellen Therapiebeginn im Längsverlauf kritisch reevaluiert und die Kausalität überprüft werden.
Leitsymptom Müdigkeit: Seltenere Krankheitsursachen
Endokrine Erkrankungen
- Addison-Krankheit
- Conn-Syndrom
- Cushing
- Hypopituitarismus
Infektionen
- Tuberkulose
- Toxoplasmose
- Brucellose
- Malaria
- AIDS
- Borreliose/Lyme-Krankheit
Metabolische Erkrankungen
- Meulengracht-Krankheit (Gilbert)
- Hyperkalziämie
Autoimmunerkrankungen
- Systemischer Lupus erythematodes
- Zöliakie
Kardiale Erkrankungen
- Endokarditis
Neurologische Erkrankungen
- Hirntumor
- Multiple Sklerose
- Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma
Literatur
- Maisel P, Baum E, Donner-Banzhoff. Leitsymptom Müdigkeit. Epidemiologie, Ursachen, Diagnostik und therapeutisches Vorgehen. Dtsch Arztebl Int 2021; 118:566–76
- DEGAM, AWMF (Hrsg.) S3-Leitlinie „Müdigkeit“. AWMF-Registernummer 053-002. DEGAM-Leitlinie Nr. 2; 2017