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Selten, aber relevant: Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase

 

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase ist definiert durch einen neu auftretenden Pruritus, erhöhte Serumkonzentrationen der Gallensäuren und ggf. der Aminotransferasen sowie das spontane Sistieren dieser klinischen und laborchemischen Veränderungen wenige Wochen nach Niederkunft.

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Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase (intrahepatic cholestasis of pregnancy/ICP) wurde 1883 erstmals beschrieben und ist definiert durch einen neu auftretenden Pruritus, erhöhte Serumkonzentrationen der Gallensäuren und ggf. der Aminotransferasen sowie das spontane Sistieren dieser klinischen und laborchemischen Veränderungen wenige Wochen nach Niederkunft. Wichtig ist hierbei der Ausschluss anderer hepatobiliärer Erkrankungen sowie Ursachen eines Pruritus.

Symptomatisch wird die ICP meist im 3. Trimester der Schwangerschaft, selten schon ab der 6. Schwangerschaftswoche. Die Inzidenzen liegen in Europa zwischen 0,2 und 2,0 %. Es wird eine Häufung in den Wintermonaten beobachtet. Ein Alter von über 35 Jahren, eine vorbestehende Hepatitis C-Infektion sowie eine erniedrigte Vitamin D- und Selen-Konzentration werden als Risikofaktoren beschrieben. Betroffene neigen bei erneuten Schwangerschaften in ca. 45–70 % zu Rezidiven.

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase ist eine Ausschlussdiagnose und erfordert entsprechend ein konsequentes diagnostisches Vorgehen. Bezogen auf den Pruritus muss differenzialdiagnostisch an andere Hauterkrankungen und schwangerschaftsassoziierte Dermatosen wie die „atopic eruption of pregnancy“ (AEP), die „polymorphic eruption of pregnancy“ (PEP) und den Pemphigoides gestationis, allergische Reaktionen und Medikamentennebenwirkungen, sowie internistische Erkrankungen wie z. B. eine vorbestehende chronische Niereninsuffizienz und hämatologische Erkrankungen wie das Hodgkin-Lymphom und eine Polycythaemia vera gedacht werden.

Bezogen auf die erhöhten Laborparameter muss die Schwangerschaftscholestase im 1.Trimenon von der Hyperemesis gravidarum und im 3. Trimenon vom HELLP-Syndrom, der (Prä-)Eklampsie und der akuten Schwangerschaftsfettleber sowie in allen Trimestern von der primär biliärer Cholangitis, der primar sklerosierender Cholangitis, Medikamenten-, Alkohol- und Virus-induzierter Hepatitis sowie einer benignen oder malignen Gallengangobstruktion abgegrenzt werden.

Pruritus ist ein krankheitsdefinierendes Symptom, laborchemisch finden sich erhöhte Konzentrationen an Gallensäuren und meist auch der Transaminasen im Nüchternserum. Die Gallensäurespiegel weisen dabei nach Ausschluss anderer Ursachen für eine Cholestase die höchste Sensitivitat und Spezifitat für die Diagnose einer ICP auf.

Ein milder Ikterus mit erhöhten Konzentrationen des konjugierten Bilirubins findet sich in etwa 10–15 % der Fälle. Einzelne Kasuistiken berichten über eine subklinische Steatorrhoe mit Malabsorption fettlöslicher Vitamine, assoziiert mit Vitamin-K-Mangelerscheinungen wie einer postpartalen Hämorrhagie.

Nach Entbindung bildet sich der Pruritus rasch zurück, und die Laborwerte sollten sich innerhalb von drei bis sechs Wochen normalisieren. Ist dies nicht der Fall, muss eine erneute Abklärung anderer hepatobiliärer Erkrankungen erfolgen.

Der Pruritus tritt typischerweise an den Extremitäten mit maximaler Intensität an den Handinnenflächen und Fußsohlen auf, kann sich aber auch auf das gesamte Integument ausbreiten. Primäreffloreszenzen liegen nicht vor, intensives Kratzen kann jedoch zu sekundären Hautläsionen wie Abschürfungen, Exkoriationen und Prurigo nodularis führen. Der Juckreiz kann sowohl als leicht als auch als quälend beschrieben werden und die Lebensqualität dramatisch beeinträchtigen, er kann den laborchemischen Veränderungen vorausgehen aber auch nachfolgen.

Die Ursache des Pruritus bei der ICP ist bisher nur partiell verstanden. Das derzeitige Erklärungsmodell geht davon aus, dass nicht allein die erhöhten Gallensäuren zu Juckreiz führen, sondern durch eine verminderte Gallesekretion bzw. -fluss bestimmte Pruritogene, wie disulfierte Progesteronmetabolite, im Plasma sowie in Organen und Geweben akkumulieren und dann zu einer neuronalen Aktivierung führen.

Das erhöhte fetale Risiko für Morbidität und Mortalität korrelierte in mehreren Studien unter anderem mit der Höhe der Gallensäurespiegel. In einer großen Kohorte von 690 schwedischen Frauen mit ICP wiesen Frauen mit einer Gallensäurekonzentration oberhalb von 40 µmol/l ein signifikant erhöhtes Risiko für spontane Frühgeburten, Neugeborenenasphyxie und Mekoniumfärbung des Fruchtwassers auf. In einer retrospektiven Analyse einer niederländischen Kohorte wurden Frauen mit ICP in drei Gruppen unterteilt:

  • Milde Form (10–39 µmol/l)
  • Moderate Form (40–99 µmol/l)
  • Schwere Form (>100 µmol/l)

Frauen mit der schweren Form der ICP hatten zu 19 % ein signifikant erhöhtes Risiko für spontane Frühgeburtlichkeit, zu 47,6 % für eine Mekoniumfärbung des Fruchtwassers und zu 9,5 % für perinatale Sterblichkeit; die maternalen und fetalen Gallensäurekonzentrationen korrelierten dabei.

In zwei chinesischen Studien mit jeweils mehr als 300 Patientinnen wurde eine Unterteilung in ein frühes Auftreten vor der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) und ein spätes Auftreten nach der 28. SSW vorgenommen. Patientinnen mit einem frühen Krankheitsbeginn wiesen einen schlechteren klinischen Verlauf und eine höhere Rate an fetalen Komplikationen wie Frühgeburtlichkeit und Totgeburten auf. Als weiterer fetaler Risikofaktor konnte in Studien eine maternale chronische Hepatitis B-Infektion aufgezeigt werden.

Es konnte gezeigt werden, dass Frauen mit ICP ein erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes, Dyslipidämie und Nachkommen mit Neigung zu gestörter Glukosetoleranz sowie höherem BMI haben. Eine Analyse des schwedischen Geburtenregisters ergab für Frauen mit ICP eine adjustierte Odds-Ratio von 2,62 zusätzlich an einer Präeklampsie zu leiden.

Es besteht eine genetische Prädisposition, es wurden Veränderungen in mindestens sieben und bis zu zwanzig Genen mit der ICP assoziiert. Dabei können sowohl heterozygote als auch homozygote Polymorphismen lokalisiert an verschiedenen Stellen dieser Gene vorliegen. Alle Assoziationsstudien mit diesen Kandidaten-Genen zeigen die komplexe Variabilitat der Genotypen, die unterschiedliche Penetranz und den Einfluss verschiedenster Umweltfaktoren auf die Entstehung der ICP auf.

In der Therapie der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase lindert Ursodeoxycholsäure (UDCA) effektiv den Pruritus, senkt die Transaminasen sowie das fetale Risiko. Gleichzeitig verringert UDCA die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburtlichkeit und dadurch die Hospitalisationsrate auf Intensivstationen. UDCA stellt dabei eine gut tolerierte Therapie in der Schwangerschaft dar – Nebenwirkungen wurden weder bei der Mutter noch bei Neugeborenen beobachtet.

Rifampicin wird als Zweitlinientherapie bei cholestatischem Pruritus unterschiedlicher Genese empfohlen und weist zu UDCA komplementäre anticholestatische Mechanismen auf.

Auch bei schweren Formen der ICP kann es, immer unter Beachtung der strengen Indikationsstellung in der Schwangerschaft, als zusätzliches Therapeutikum erwogen werden und verbesserte nicht nur die Pruritusintensität, sondern auch die Cholestaseparameter.

Zur symptomatischen Behandlung milder Formen des Pruritus können topische Therapien wie hydratisierende und rückfettende Cremes eingesetzt werden. Zusätze, von zum Beispiel 1–2 % Menthol, können durch den kühlenden Effekt zusätzlich den Pruritus positiv beeinflussen. Bei schweren oder ikterischen Verlaufen sollte Vitamin K intravenös verabreicht werden, um das Risiko einer peripartalen Hämorrhagie zu vermindern.


Literatur

  1. Kremer AE, Wolf K, Ständer S: Intrahepatische Schwangerschaftscholestase. Selten, aber relevant. Hautarzt 2017; 68:95–102