Vakzin-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT)
War anfangs das COVID-19-Vakzin der Firma AstraZeneca (AZD1222/Vaxzevria®) in Deutschland nur bei Jüngeren (< 60 Jahre) zugelassen, so wird es aktuell für Ältere (> 60 Jahre) empfohlen. Diese Entwicklung ist durch das Auftreten von Thrombosen (Sinusvenen-, Hirnstammthrombosen, Thrombosen im Splanchnikusgebiet usw.) ca. 4 bis 20 Tage nach einer COVID-19-Impfung der Firma AstraZeneca bedingt.
DR. MED. ADRIANNA JAGIELLO
Die Indexpatientin war eine 49-jährige Krankenschwester, die Mitte Februar 2021 ihre erste Impfung mit dem oben genannten Impfstoff erhalten hatte, anschließend eine Thrombose der Pfortader als auch periphere pulmonale Embolien entwickelte und infolge dessen verstarb. Weitere Verdachtsfälle wurden daraufhin gemeldet, so dass diese seltene Nebenwirkung (Thrombose) in die Fach- und Gebrauchsinformation zu Vaxzevria® aufgenommen wurde.
Laut der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH) ist für die Entstehung der thromboembolischen Komplikationen ein immunologisches Geschehen verantwortlich. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. med. Andreas Greinacher hat einen möglichen Pathomechanismus nachweisen können. Das Vakzin löst wahrscheinlich eine inflammatorische Reaktion und Immunstimulation aus, die wiederum zu einer Antikörperbildung gegen Antigene der Thrombozyten führt. Die Antikörper induzieren anschließend eine starke Thrombozytenaktivierung, die Thrombosen und eine Thrombozytopenie verursachen kann. Das Bild ähnelt einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT).
Bei Patienten mit klinischen Symptomen einer Gerinnungsstörung (Dyspnoe, Brustschmerz, Beinschwellung, persistierende abdominelle Schmerzen, Petechien) oder neurologischen Symptomen (schwere und anhaltende Kopfschmerzen, Sehstörungen), die zuvor (ca. 4–20 Tage) mit dem COVID-19-Impfstoff der Firma AstraZeneca geimpft worden sind, sollten zunächst D-Dimere und Thrombozyten bestimmt werden. Bei erhöhten D-Dimeren und Thrombozyten < 100G/l wird eine bildgebende Diagnostik zum Thromboseausschluss empfohlen. Bestätigt sich hierbei eine Thrombose, so sollte anschließend eine Vakzin-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie ausgeschlossen werden (siehe GTH-Flussdiagramm „Empfehlungen zur Testung bei Verdacht auf eine Vakzin-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie“, Version 5.3 vom 01.04.2021).
Die GTH sieht dann das folgende labordiagnostische Vorgehen vor: Zunächst erfolgt ein Screeningtest. Hierfür eignen sich HIT-Teste der Firmen HYPHEN BioMed und Immucor (ELISA). Sofern der Test reaktiv ausfällt, wird zur Bestätigung ein klassischer HIPA (Heparininduzierte Plättchenaggregation)- bzw. SRA (Serotonin Release Assay)-Test durchgeführt. Sollte dieser Test negativ ausfallen, so wird ein modifizierter HIPA-Test (ein sogenannter PIPA-Test) angeschlossen.
Bei Labor 28 wird die Abklärung der klassischen heparininduzierten Thrombozytopenie unverändert vor Ort durchgeführt. Bei der Verdachtsdiagnose einer VIPIT wird das Patientenmaterial hingegen in das Thrombozytenabor der Universitätsklinik Greifswald geschickt. Ein entsprechendes Anforderungsformular ist auf deren Webseite (https://www2.medizin.uni-greifswald.de/transfus/index.php?id=380) zum Herunterladen hinterlegt.
Für die Bearbeitung der Anforderung benötigen wir einen Laborüberweisungsschein (Muster 10 bzw. privater Ü-Schein) mit der expliziten Anforderung „V. a. VIPIT“, das ausgefüllte Anforderungsformular der Universitätsklinik Greifswald und das entsprechende Untersuchungsmaterial (6 ml Nativblut [Serum], 4 ml EDTA-Blut und 4 ml Citratblut).
Literatur
- Aktualisierte Stellungnahme der GTH zur Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin, Stand 1. April 2021
- Der Arzneimittelbrief, „Thrombotische Komplikationen und Thrombozytopenie nach Impfungen mit Vaxzevria® (vormals ChAdOx1 nCoV-19-Vakzine), Jahrgang 55, Nr. 4, April 2021